Briefwechsel zwischen Lotte Lehmann und Erich Korngold:
02.11.1921 Lotte Lehmann an Erich
Hamburg, 2. Nov. 21
Sehr geehrter Herr Korngold!
Wie war Ihr Konzert gestern Abend herrlich! und nun heute Abend noch einmal ein herrlicher Genuß, Ihre “Tote Stadt” zu hören unter Ihrer persönlichen Leitung.
Die Oper ist so schön, dass ich sie morgen zum 15. Mal höre.
Vor Ihrer Abreise habe ich noch eine Bitte an Sie! Unterschreiben Sie bitte beifolgende Bilder?
Im Voraus schon meinen herzlichsten Dank!
Frdl. Grüße !
Lotte Lehmann
15.04.1924 Erich an Lotte Lehmann
Berlin, den 15. April 1924
Liebe Lotte!
Ich kann nicht abreisen, ohne Dir neben meinem Generaldank an den Generalintendanten auch meinen ganz besonderen Dank für Deine ebenso ganz besondere Leistung auszudrücken.
Du warst wunderbar, charmant bei aller Verderbtheit, wie es das Wesen der Figur erfordert. Ich wünsche mir auch kein Härchen mehr Verruchtheit oder “Glaubhaftigkeit”. Dramatische Gestaltungskraft gesangliche Akzente und Höhepunkte, Keuschheit der Linie (in der Totenszene) – alles war da; dabei Leidenschaftlichkeit, Wahrhaftigkeit des Ausdrucks und Hingabe an das Werk (bei dem sich – siehe “b.z.”[Berliner Zeitung] – der Magen umdreht!). Ich danke Dir tausendmal und von ganzem Herzen und hoffe, dass Deine grandiose Leistung erst in Wien völlig erkannt und gewürdigt werden wird.
Nochmals: Dank und alles Liebe.
In aufrichtiger Verehrung und Ergebenheit
Dein treuer
Erich Wolfgang Korngold
29.09.1927 Erich an Lotte Lehmann
Hamburg, den 29. Sept. 1927
Liebe, hochverehrte Lotte!
Ich sende Dir die allerherzlichsten Grüsse aus Hamburg und die innigsten Wünsche für den Wiener Probenverlauf! Hat mich schon Dein Helianengesang in Wien zu Tränen gerührt, so kann ich Dir ehrlich sagen, dass ich auch hier nichts zu lachen habe… Ich hoffe aber, dass ich auch hier eine schöne Aufführung erleben werde, wenn auch natürlich Niveau und Format nicht an unserer einzigen Wiener Oper gemessen werden dürfen. Zweck meines Schreibens ist: ich beschwöre Dich, liebe Lotte, ängstige Dich nicht und lasse Dir nicht die Lust nehmen, wenn das Orchester in Wien zu laut sein wird. Ich habe hier durch unzählige, geringfügige Retouchen, die ich alle nach meiner Rückkehr in Wien eintragen werde, erreicht, dass die Singstimmen durchwegs dominieren – sowohl in allen dramatischen sowie auch ganz besonders in allen lyrischen Pianostellen! Dabei ist das Orchester jetzt hier doppelt so laut wie vor dem Umbau des Theaters, ja vielleicht sogar stärker als in Wien, während man von den Sängern ruhigen Gewissens behaupten kann, dass sie eher schwächer sind als die Wiener…!!!
Bitte, sage dies auch unserem Freunde Piccaver, er soll unter keinen Umständen verzagen: es sind in der ganzen Oper kaum 10 Tenortakte, die das Orchester übertönen wird. Nochmals alles Liebe und die herzlichsten Grüsse Dir und Deinem verehrten Gatten – auch von meiner Frau –
von Deinem getreuen
Erich Wolfgang Korngold