Schäfers Klagelied/Shepherd’s Complaint

Da droben auf jenem Berge, Da steh ich tausendmal, An meinem Stabe hingebogen Und schaue hinab in das Tal.

Dann folg ich der weidenden Herde, Mein Hündchen bewahret mir sie. Ich bin herunter gekommen Und weiß doch selber nicht wie.

Da stehet von schönen Blumen Die ganze Wiese so voll. Ich breche sie, ohne zu wissen, Wem ich sie geben soll.

Und Regen, Sturm und Gewitter Verpass ich unter dem Baum. Die Türe dort bleibet verschlossen; Doch alles ist leider ein Traum.

Es stehet ein Regenbogen Wohl über jenem Haus! Sie aber ist fortgezogen, Und weit in das Land hinaus.

Hinaus in das Land und weiter, Vielleicht gar über die See. Vorüber, ihr Schafe, nur vorüber! Dem Schäfer ist gar so weh.

High upon that mountain, I have stood a thousand times, bowed over my staff and gazing down into the valley.

I have followed my grazing flock, my hound standing guard for me. I have come down somehow and I do not myself know how.

Full of lovely flowers stands the whole meadow. I pick them without knowing whom I should give them to.

And rain, storm and thunder – beneath the tree I wait for it to pass. The door there remains closed, for all is unfortunately a dream.

There stands a rainbow arching over that house! But she has gone, and far away to distant reaches.

To distant reaches and further, perhaps even across the sea. It’s all over, my sheep, it is simply all over! It is such woe for your shepherd.

Nähe des Geliebten/Nearness of the Beloved

Ich denke dein, wenn mir der Sonne schimmer Vom Meere strahlt; Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer In Quellen malt.

Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege Der Staub sich hebt, In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege Der Wandrer bebt.

Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen Die Welle steigt. Im stillen Haine geh’ ich oft zu lauschen, Wenn alles schweigt.

Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne, Du bist mir nah! Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne. O wärst du da!

I think of you, when I see the sun’s shimmer Gleaming from the sea. I think of you, when the moon’s glimmer Is reflected in the springs.

I see you, when on the distant road The dust rises, In deep night, when on the narrow bridge The traveler trembles.

I hear you, when with a dull roar The wave surges. In the quiet grove I often go to listen When all is silent.

I am with you, however far away you may be, You are next to me! The sun is setting, soon the stars will shine upon me. If only you were here!

Wanderers Nachtlied/Wanderers Night-song

Der du von dem Himmel bist, Alles Leid und Schmerzen stillst, Den, der doppelt elend ist, Doppelt mit Etzückung füllst, Ach! ich bin des Treibens müde! Was soll all der Schmerz und Lust? Süßer Friede, Komm, ach komm in meine Brust!
You who are from heaven, You quiet all sorrow and pain; And he who is doubly wretched You fill with twice as much delight. Ah! I am tired of being driven! For what is all this pain and joy? Sweet peace, Come, ah, come into my heart!

Es war ein König in Thule/There Once Was A King in Thule

Es war ein König in Thule, Gar treu bis an das Grab, Dem sterbend seine Buhle Einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber, Er leert’ ihn jeden Schmaus; Die Augen gingen ihm über, So oft er trank daraus.

Und als er kam zu sterben, Zählt’ er seine Städt’ im Reich, Gönnt’ alles seinem Erben, Den Becher nicht zugleich.

Er saß beim Königsmahle, Die Ritter um ihn her, Auf hohem Vätersaale, Dort auf dem Schloß am Meer.

Dort stand der alte Zecher, Trank letzte Lebensglut, Und warf den heil’gen Becher Hinunter in die Flut.

Er sah ihn stürzen, trinken Und sinken tief ins Meer. Die Augen täten ihm sinken Trank nie einen Tropfen mehr.

There was a King of Thule, faithful to the grave, to whom his dying beloved gave a golden goblet.

Nothing was more valuable to him: he drained it in every feast; and his eyes would overflow whenever he drank from it.

And when he neared death, he counted the cities of his realm and left everything gladly to his heir – except for the goblet.

He sat at his kingly feast, his knights about him, in the lofty hall of ancestors, there in the castle by the sea.

There, the old wine-lover stood, took a last draught of life’s fire, and hurled the sacred goblet down into the waters.

He watched it plunge, fill up, and sink deep into the sea. His eyes then sank closed and he drank not one drop more.

Ganymed

Wie im Morgenglanze Du rings mich anglühst, Frühling, Geliebter! Mit tausendfacher Liebeswonne Sich an mein Herze drängt Deiner ewigen Wärme Heilig Gefühl, Unendliche Schöne!

Daß ich dich fassen möcht’ In diesen Arm!

Ach, an deinem Busen Lieg’ ich, und schmachte, Und deine Blumen, dein Gras Drängen sich an mein Herz. Du kühlst den brennenden Durst meines Busens, Lieblicher Morgenwind! Ruft drein die Nachtigall Liebend nach mir aus dem Nebeltal.

Ich komm’, ich komme! Ach, wohin, wohin?

Hinauf! strebt’s hinauf. Es schweben die Wolken Abwärts, die Wolken Neigen sich der sehnenden Liebe. Mir! Mir! In eurem Schosse Aufwärts! Umfangend umfangen! Aufwärts an deinen Busen, Alliebender Vater!

How in the morning light you glow around me, beloved Spring! With thousand-fold ecstasy of love, on my heart presses the eternal warmth of sacred feelings, endless beauty!

Would that I could clasp you in these arms!

Ah, on your breast I lie and languish, and your flowers and your grass press themselves to my heart. You cool the burning thirst of my breast, lovely morning wind! The nightingale calls lovingly to me from the misty vale.

I’m coming, I’m coming! whither? To where?

Upwards I strive, upwards! The clouds float downwards, the clouds bow down to yearning love. To me! To me! In your lap upwards! Embracing, embraced! Upwards to your bosom, All-loving Father!

Spute dich, Kronos!/Onward Kronos!

Spute dich, Kronos! Fort den rasselnden Trott! Bergab gleitet der Weg; Ekles Schwindeln zögert Mir vor die Stirne dein Zaudern. Frisch, holpert es gleich, Über Stock und Steine den Trott Rasch ins Leben hinein!

Nun schon wieder Den eratmenden Schritt Mühsam berghinauf. Auf denn, nicht träge denn, Strebend und hoffend hinan!

Weit, hoch, herrlich der Blick Rings ins Leben hinein, Vom Gebirg zum Gebirg Schwebet der ewige Geist, Ewigen Lebens ahndevoll.

Seitwärts des Überdachs Schatten Zieht dich an Und ein Frischung verheißender Blick Auf der Schwelle des Mädchens da. Labe dich! – Mir auch, Mädchen, Diesen schäumenden Trank, Diesen frischen Gesundheitsblick!

Ab denn, rascher hinab! Sieh, die Sonne sinkt! Eh sie sinkt, eh mich Greisen Ergreift im Moore Nebelduft, Entzahnte Kiefer schnattern Und das schlotternde Gebein,

Trunken vom letzten Strahl Reiß mich, ein Feuermeer Mir im schäumenden Aug, Mich geblendeten Taumelnden In der Hölle nächtliches Tor.

Töne, Schwager, ins Horn, Rassle den schallenden Trab, Daß der Orkus vernehme: wir kommen, Daß gleich an der Tür Der Wirt uns freundlich empfange.

Make haste, Chronos! Forth, into a rattling trot! Downhill slides the path; A repulsive dizziness slowly seizes my mind at your dallying. Quick, jolting equally over sticks and stones – trot quickly into life!

Now, already again we are breathless, at a walking pace, struggling uphill. Up then, don’t be sluggish then, striving and hoping onwards!

Wide, tall and splendid is the panoramic view of life, from mountain-range to mountain-range floats the eternal spirit, full of promise of eternal life.

To the side, a shady over-roof draws you; and a gaze of warm freshness from a maiden on the threshhold there. Refresh yourself! For me, too, maiden, this foaming drink, this fresh healthy look!

Down then, down faster! Look, the sun is sinking! Before it sets, before I, an old man, am seized by a mist on the moor, my toothless jaw chattering and my limbs trembling,

drunk from the last ray – pull me, a sea of fire foaming in my eye, blinded, reeling, through Hell’s nocturnal gate.

Sound your horn, Coachman, rattle with a noisy trot, so that Orcus can hear that we’re coming, so that immediately at the door the innkepper can give us a friendly welcome.

Erlkönig

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind; Er hat den Knaben wohl in dem Arm, Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

«Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?» – «Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht? Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif?» «Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.»

“Du liebes Kind, komm, geh mit mir! Gar schöne Spiele spiel ich mit dir; Manch bunte Blumen sind an dem Strand, Meine Mutter hat manch gülden Gewand.”

«Mein Vater, mein Vater, u. hörest du nicht, Was Erlenkönig mir leise verspricht?» «Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind: In dürren Blättern säuselt der Wind.»

“Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn? Meine Töchter sollen dich warten schön; Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn Und wiegen und tanzen und singen dich ein.”

«Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort Erlkönigs Töchter am düstern Ort?» «Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau: Es scheinen die alten Weiden so grau.»

“Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt; Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.” «Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an! Erlkönig hat mir ein Leids getan!»

Dem Vater grauset’s, er reitet geschwind, Er hält in Armen das ächzende Kind, Erreicht den Hof mit Müh’ und Not: In seinen Armen das Kind war tot.

Who rides, so late, through night & wind? It is the father with his child. He has the boy well in his arm He holds him safely, he keeps him warm.

“My son, why do you hide in fear your face?” “Father, do you not see the Elfking? The Elfking with crown and cape?” “My son, it’s a streak of fog.”

“You dear child, come, go with me! (Very) beautiful games I play with you; many a colorful flower is on the beach, My mother has many golden robes.”

“My father, my father, and don’t you hear, What the Elfking quietly promises me?” “Be calm, stay calm, my child; Through dry leaves the wind is sighing.”

“Do you, fine boy, want to go with me? My daughters shall wait on you nicely; My daughters lead the nightly dance, And rock & dance & sing to amuse you.”

“My father, my father, and don’t you see there Elfking’s daughters in the gloomy place?” “My son, my son, I see it clearly: There shimmer the old willows so grey.”

“I love you, your beautiful form entices me; And if you’re not willing, then I’ll use force.” “My father, my father, he’s touching me now! The Elfking has done me harm!”

It horrifies the father; he swiftly rides on, He holds the moaning child in his arms, Reaches the farm with great difficulty; In his arms, the child was dead.

Rastlose Liebe/Restless Love

Dem Schnee, dem Regen, Dem Wind entgegen, Im Dampf der Klüfte Durch Nebeldüfte, Immer zu! Immer zu! Ohne Rast und Ruh!

Lieber durch Leiden Wollt ich mich schlagen, Als so viel Freuden Des Lebens ertragen.

Alle das Neigen Von Herzen zu Herzen, Ach, wie so eigen Schaffet es Schmerzen!

Wie soll ich fliehen? Wälderwärts ziehen? Alles, alles vergebens! Krone des Lebens, Glück ohne Ruh, Liebe, bist du!

Through snow, through rain Through the tempest, go, In the mist of the ravines Through the misty fog, Always on! Always on! Without rest and peace!

I’d rather through sadness Fight myself, Than so many joys Of life endure.

All the yearning Of heart to heart, Ah, how curiously that creates pain!

How shall I flee? To the forest move? All in vain! Crown of life, Happiness without peace, Love, are you!

Hoffnung/Hope

Schaff’, das Tagwerk meiner Hände, Hohes Glück, daß ich’s vollende! Laß, o laß mich nicht ermatten! Nein, es sind nicht leere Träume: Jetzt nur Stangen, diese Bäume Geben einst noch Frucht und Schatten.
Grant that the day’s work of my hands, lofty Fortune, I may complete! Grant that they will not exhaust me! No, these are not empty dreams: now but mere poles, these trees will one day give fruit and shade.

Heidenröslein/The Little Hedgerose

Sah ein Knab’ ein Röslein stehn, Röslein auf der Heiden, War so jung und morgenschön, Lief er schnell, es nah zu sehn, Sah’s mit vielen Freuden. Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden.

Knabe sprach: Ich breche dich, Röslein auf der Heiden! Röslein sprach: Ich steche dich, Daß du ewig denkst an mich, Und ich will’s nicht leiden. Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden.

Und der wilde Knabe brach ‘s Röslein auf der Heiden; Röslein wehrte sich und stach, Half ihm doch kein Weh und Ach, Mußt es eben leiden. Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden.

A boy spied a tiny rose, Little rose on the hedgerow, It was so young and beautiful as the dawn, He ran quickly to see it more closely, He looked at it with great delight. Little rose, little red rose on the hedgerow.

The boy said, I’ll pick you, Little rose on the hedgerow. The little rose said, I’ll prick you, So that you will always remember me, And I won’t be sorry about it. Little rose, little red rose on the hedgerow.

Then the unruly boy plucked The little rose on the hedgerow. The little rose defended itself and struck Suddenly giving him pain, and oh, He will simply have to suffer. Little rose, little red rose on the hedgerow.